Amitriptylin ist ein Antidepressivum der ersten Generation. Amitriptylin gehört zur Gruppe der Trizyklika und damit zur ersten Generation der Antidepressiva, die bereits in den späten 50er Jahren entwickelt wurden. Das Antidepressivum gilt als Multitalent, das auch zur Behandlung chronischer Schmerzen eingesetzt wird.
Inhaltsverzeichnis: Das erwartet Sie in diesem Artikel
Amitriptylin: Forschung trifft auf Zufall
Die Entwicklung des Medikaments basiert auf der chemischen Verbindung Chlorpromazin, welche vom französischen Wissenschaftler Paul Charpentier im Jahr 1950 synthetisiert wurde. Der Wirkstoff Chlorpromazin sollte genutzt werden, um ein Medikament gegen Schizophrenie zu entwickeln. Das Mittel wurde vom Psychiater Roland Kuhn aus der Schweiz für die Firma Geigy getestet.
Obwohl dies fehlschlug, sollte sich durch Zufall die Wirksamkeit in anderer als beabsichtigter Weise zeigen. Ein Patient, der mit dem Wirkstoff gegen Schizophrenie behandelt worden war, reagierte mit einer deutlichen Aufhellung der Stimmung. Der Wissenschaftler nahm diesen Zufallsbefund zum Anlass, das Medikament an weiteren 300 Personen zu testen. Das war der Beginn der Generierung von chemischen Antidepressiva und revolutionierte die Psychiatrie grundlegend.
Amitriptylin ist eines der Medikamente, die den Wirkstoff Chlorpromazin enthalten. Neben seiner stimmungsaufhellenden Wirkung lindert der Wirkstoff allergische Beschwerden und hilft Patienten, die unter chronischen Schmerzen leiden.
Im folgenden wird dieses Antidepressivum im Hinblick auf verschiedene Aspekte näher beleuchtet:
- Wirkungsweise
- Anwendungsgebiete
- Einnahme und Dosierung
- Wechselwirkungen
- Nebenwirkungen
- Folgen einer Überdosierung
- Absetzen nach Ende der Therapie
Betroffene können sich vom Arzt beraten lassen und zusätzlich eine telefonische Beratung in Anspruch nehmen:
Deutsche DepressionsLiga e.V.
Oppelner Straße 130
53119 Bonn
Email: kontakt(at)depressionsliga.de
Telefon: +49 228 / 24065772

Mit dem Antidepressivum wird der REM Schlaf unterdrückt. Menschen, die unter Depressionen leiden, wirken oft übermüdet, obwohl sie innerlich vollkommen angespannt sind. Auch nachts kommt das Gehirn nicht zur Ruhe, sondern wälzt Probleme. Deshalb ist die Unterdrückung des REM-Schlafs eine Maßnahme, um den Erkrankten einen erholsamen Schlaf zu ermöglichen.(#01)
Amitriptylin: Wirkung
Amitriptylin gehört zu den Trizyklika und wird überwiegend als Amitriptylinhydrochlorid verarbeitet. Das Medikament beeinflusst das Gleichgewicht der Neurotransmitter im Gehirn. Diese Botenstoffe sind dafür verantwortlich, dass die Weiterleitung von Reizen reibungslos funktioniert. Zu diesem Zweck werden Botenstoffe, beispielsweise Serotonin, von Nervenzellen freigesetzt, die dann an Rezeptoren anderer Nervenzellen andocken und nach Entfaltung der Wirkung von den freisetzenden Nervenzellen wiederaufgenommen werden.
Erfolgt aufgrund eines Ungleichgewichts an Neurotransmittern eine unzureichende Weiterleitung der Nervensignale zwischen den Gehirnzellen, hat dies Auswirkungen auf die Stimmung des Patienten. Ein Antidepressivum soll also das Gleichgewicht zwischen den Neurotransmittern herstellen und einem Mangel entgegenwirken.
Amitriptylin setzt genau dort an, denn es verhindert, dass die Gehirnzelle den ausgesandten Neurotransmitter zu schnell wiederaufnimmt. Das hat zur Folge, dass die Konzentration der Botenstoffe im Nervenwasser deutlich erhöht wird und die Neurotransmitter ihre Wirkung über eine längere Zeit entfalten. Das Medikament wirkt relativ undifferenziert auf die Hemmung der Wiederaufnahme unterschiedlichster Botenstoffe. Amitriptylin wirkt auf Serotonin, Noradreanlin und weitere Neurotransmitter.
Mit dem Antidepressivum wird der REM Schlaf unterdrückt. Menschen, die unter Depressionen leiden, wirken oft übermüdet, obwohl sie innerlich vollkommen angespannt sind. Auch nachts kommt das Gehirn nicht zur Ruhe, sondern wälzt Probleme. Deshalb ist die Unterdrückung des REM-Schlafs eine Maßnahme, um den Erkrankten einen erholsamen Schlaf zu ermöglichen. Durch das Eindringen des Medikaments in den Schlafablauf werden jedoch teilweise folgenschwere Nebenwirkungen verursacht.
Amitriptylin Anwendungsgebiete
Das Medikament verfügt über die Zulassung zur Verschreibung bei depressiven Erkrankungen sowie im Rahmen einer Schmerztherapie. Es werden Erfolge bei der Behandlung von Migräneattacken und Spannungskopfschmerzen erzielt. Schmerzpatienten werden überwiegend mit einer Kombination aus Amitriptylin, Schmerzmitteln und begleitender Psychotherapie behandelt.
Darüber hinaus wird das Mittel im Rahmen des sogenannten „off-label-use“ bei folgenden Indikationen eingesetzt.
- Essstörungen
- Aufmerksamkeitsdefizit-(Hyperaktivitäts-)Syndrom (ADS / ADHS)
- Fibromyalgie
- Tinnitus
- Schlafstörungen
- Angststörungen
- Reizdarm
Schon nach kurzer Zeit setzt eine beruhigende Wirkung des Medikaments ein. Es dauert jedoch einige Wochen, bis Amitriptylin seine volle stimmungsaufhellende Wirkung entfaltet. Zu Beginn der Behandlung tritt oft eine Verschlimmerung der Depression auf, was sich in gesteigerten Suizidabsichten zeigt. Aus diesem Grund ist es dringend erforderlich, dass die Begleitung durch den behandelnden Arzt besonders in den ersten Wochen sehr engmaschig erfolgt.

Ein Patient, der mit dem Wirkstoff gegen Schizophrenie behandelt worden war, reagierte mit einer deutlichen Aufhellung der Stimmung.(#02)
Einsatz von Amitriptylin bei Fibromyalgie
Obwohl es mittlerweile modernere Psychopharmaka gibt, die weniger Nebenwirkungen verursachen, wird Amitriptylin immer noch häufig eingesetzt, allerdings um andere Krankheitsbilder zu behandeln. Das Krankheitsbild der Fibromyalgie ist gekennzeichnet durch Schmerzen an unterschiedlichen Körperstellen, Antriebslosigkeit, Müdigkeit, Schlaf- und Konzentrationsstörungen.
Das Antidepressivum trägt dazu bei, die Symptome zu lindern und fördert die Erholung des Körpers während des Schlafs. Außerdem entwickeln ungefähr 30 Prozent aller Patienten zusätzlich eine Depression, sodass auch in dieser Hinsicht eine Verbesserung des Befindens erreicht wird.
Amitriptylin: Einnahme und Dosierung
Amitriptylin wird meist über einen längeren Zeitraum eingenommen, da es seine volle Wirkung erst nach einigen Wochen entfaltet. Das Medikament wird als Tablette oder in Form von Tropfen verabreicht und ist außerdem als Injektionslösung verfügbar. Die Dosierung muss individuell an den Patienten und das Krankheitsbild angepasst werden. Zunächst wird mit einer möglichst geringen Dosierung begonnen, die dann sukzessive gesteigert wird. Auf diese Weise versucht der Arzt, die geringste Dosis zu ermitteln, bei der eine Wirkung erzielt wird.
Allgemein gelten folgende Dosierungsempfehlungen:
- Depressionen: zu Beginn 50 bis 75 Milligramm verteilt auf zwei bis drei Dosen
- Maximaldosis für ambulante Behandlung: 150 Milligramm
- Schmerzbehandlung: einmal 25 Milligramm pro Tag
- Steigerung auf maximal 100 Milligramm
Aufgrund der beruhigenden Wirkung ist es sinnvoll, das Medikament bei niedriger Dosierung und täglich einmaliger Gabe abends einzunehmen. Wie alle Tetrazyklika wirkt auch Amitriptylin dämpfend, wohingegen die Medikamente der zweiten Generation anregend wirken.

Bei gleichzeitiger Einnahme von Amitriptylin und anderen Medikamenten kann es zu unerwünschten Wirkungen kommen.(#03)
Wechselwirkungen bei Amitriptylin
Bei gleichzeitiger Einnahme von Amitriptylin und anderen Medikamenten kann es zu unerwünschten Wirkungen kommen. Das ist insbesondere bei folgenden Arzneimitteln der Fall:
- Antihistaminika
- andere Antidepressiva und Psychopharmaka
- Johanniskraut
- Blutgerinnungshemmer
- Antiarrhythmika
- Muskelrelaxantien
Patienten, die weitere Medikamente einnehmen, sollten von ihrem Arzt abklären lassen, ob Wechselwirkungen zu befürchten sind. Besondere Aufmerksamkeit sollte dabei auf Arzneimittel gerichtet werden, die ebenfalls auf die Psyche des Patienten wirken.
Serotonin-Syndrom
Das Serotonin-Syndrom kann eintreten, wenn mehrere psychoaktive Medikamente gleichzeitig eingenommen werden und sich in ihrer Wirkung gegenseitig verstärken. In diesem Fall steigt der Serotonin-Spiegel zu stark an und es ist eine schnelle Behandlung erforderlich, da diese Komplikation tödlich verlaufen kann.
Zunächst verspürt der Patient oft grippeähnliche Symptome, die sich sehr schnell zu einem bedrohlichen Krankheitsbild steigern.
Weitere Symptome sind:
- Herzrasen
- Bluthochdruck
- Hyperventilation
- Kopfschmerzen
- Übelkeit und Erbrechen
- Durchfall
- Schweißausbrüche
- gestörtes Zusammenspiel zwischen Nerven und Muskeln
- Halluzinationen
- Herzrhythmusstörungen
- Koma
- Blutgerinnungsstörungen
- Multiorganversagen
Aufgrund der teilweise drastischen Nebenwirkungen gilt das Serotonin-Syndrom als neurologische und psychiatrische Notfallsituation, die im Extremfall auf der Intensivstation behandelt werden muss.

Besonders zu Beginn der Anwendung treten relativ häufig Nebenwirkungen auf, die im weiteren Behandlungsverlauf jedoch deutlich nachlassen.(#04)
Nebenwirkungen von Amitriptylin
Besonders zu Beginn der Anwendung treten relativ häufig Nebenwirkungen auf, die im weiteren Behandlungsverlauf jedoch deutlich nachlassen. Wenn der Patient eine belastende Nebenwirkung bemerkt, sollte er mit dem Arzt abklären, ob eine niedrigere Dosierung sinnvoll wäre.
Am häufigsten werden folgende Nebenwirkungen festgestellt:
- Müdigkeit
- Benommenheit
- niedriger Blutdruck
- Schwindelgefühl
- Zittern
- Kreislaufstörungen
- Herzrasen und Herz-Rhythmus-Störungen
- Mundtrockenheit und Durstgefühl
- Verstopfung
- Gewichtszunahme
- Hautausschläge
- Aggressionen
- Harnverhalt
- Libidoverlust
- verstärktes Schwitzen
Gelegentlich werden auch folgende Nebenwirkungen beobachtet:
- Angststörungen
- Verfolgungswahn
- Ohrensausen
- Bluthochdruck
Sehr selten tritt eine besonders schwerwiegende Nebenwirkung auf, wie:
- Leberfunktionsstörungen
- Darmlähmung
- Darmverschluss
- Herzmuskelschäden
- Gehirnkrämpfe
- Wahnvorstellungen
- erhöhter Augeninnendruck
- Zerstörung der weißen Blutkörperchen
- Bewegungsstörungen der Gesichtsmuskeln
- Nervenschäden
Nebenwirkung und Wirkung treten zeitversetzt auf. Zu Beginn der Behandlung werden überwiegend Nebenwirkungen festgestellt, bevor nach einer Woche der beruhigende und nach zwei bis drei Wochen der stimmungsaufhellende Effekt eintritt.

Bei einer versehentlichen Überdosierung sollte sofort ein Arzt konsultiert werden, da mit erheblichen Nebenwirkungen zu rechnen ist. Ein erhöhter Puls, Probleme bei der Blasenentleerung sowie eine auffällige Mundtrockenheit deuten auf eine Überdosierung hin.(#05)
Überdosierung von Amitriptylin: Folgen einer Überdosierung
Bei einer versehentlichen Überdosierung sollte sofort ein Arzt konsultiert werden, da mit erheblichen Nebenwirkungen zu rechnen ist. Ein erhöhter Puls, Probleme bei der Blasenentleerung sowie eine auffällige Mundtrockenheit deuten auf eine Überdosierung hin. Da die potentiellen Nebenwirkungen bis zu Herz-Rhythmus-Störungen und Krampfanfällen reichen, ist eine Behandlung dringend erforderlich.
Amitriptylin absetzen nach Ende der Therapie
Auch das Absetzen von Amitriptylin sollte unter ärztlicher Begleitung geschehen. Um unangenehme Nebenwirkungen, die denen zu Beginn der Therapie ähneln, zu vermeiden, wird die Wirkstoffdosis langsam reduziert.
Wenn während der Behandlung sehr heftige Nebenwirkungen auftreten, sich die Depression weiter verschlimmert oder sogar manische Phasen zu beobachten sind, erfolgt ein sofortiges Absetzen unter ärztlicher Kontrolle.
Für welche Patienten ist Amitriptylin nicht geeignet?
Generell darf das Antidepressivum nicht eingesetzt werden, wenn eine Überempfindlichkeit gegen eine der enthaltenen Substanzen besteht. Außerdem sollten Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, Schwangere und stillende Mütter nicht mit diesem Medikament behandelt werden. Gleiches gilt für leber- oder nierenkranke Menschen und Patienten, die bereits unter einem erhöhten Augeninnendruck (Grüner Star) leiden.
Des Weiteren wird das Risiko für Menschen, die unter Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Epilepsie oder manischen Krankheitsbildern leiden, als übermäßig hoch bewertet. Vor der Verschreibung von Amitriptylin wird der behandelnde Arzt genau abwägen, ob die Risiken den erwarteten Nutzen der Behandlung überwiegen und in diesen Fällen ein anderes Antidepressivum verordnen.

Die Beeinflussung der REM-Schlafphasen steht im Verdacht, bei einigen Patienten kognitive Störungen auszulösen.(#06)
Einfluss von Amitriptylin auf die kognitiven Fähigkeiten
Die Beeinflussung der REM-Schlafphasen steht im Verdacht, bei einigen Patienten kognitive Störungen auszulösen. Das Medikament unterdrückt den REM-Schlaf. Da in diesen Schlafphasen wichtige kognitive Prozesse ablaufen, beispielsweise die Verarbeitung von Erinnerungen und das Abspeichern gelernter Inhalte, liegt die Vermutung nahe, dass diese Prozesse gestört werden.
Eine Studie der Berliner Charité hat ergeben, dass durch Anwendung des Medikaments das Lernvermögen reduziert wird, Gedächtnislücken auftreten können und die kognitiven Fähigkeiten der Patienten insgesamt vermindert werden.
Ist Amitriptylin effektiver als ein Placebo?
Eine Metaanalyse von Doppelblindstudien in England hat nachgewiesen, dass Antidepressiva signifikant bessere Behandlungserfolge bei Depressionen erreichen als ein Placebo. Dabei wurden die Daten von 116.477 Teilnehmern ausgewertet.
Obwohl Amitriptylin eines der ältesten Medikamente zur Behandlung von Depressionen ist, zeigte die Studie, dass es die stärkste Wirksamkeit erreicht. Dennoch werden mittlerweile vermehrt Wirkstoffe der zweiten Generation verschrieben, da die Nebenwirkungen des Amitriptylins deutlich stärker sind als die neuerer Antidepressiva. Letztlich kann nur ein Facharzt entscheiden, welches Antidepressivum beim konkreten Patienten schnell, nachhaltig und mit möglichst wenig Nebenwirkungen wirkt.
Betroffene können sich beim Psychiatrienetz informieren:
Psychiatrienetz
E-Mail: redaktion(at)psychiatrie.de
In Deutschland werden immer noch ungefähr 10.000 Patienten mit diesem Psychopharmaka der ersten Stunde behandelt, wobei ein hoher Prozentsatz aufgrund von anderen Erkrankungen therapiert wird. Antidepressiva verändern nicht belastende Lebensumstände, die zum Auftreten der Depression geführt haben, helfen den Betroffenen jedoch dabei, das Leben wieder aktiv zu gestalten und diese Phase dann aus eigener Kraft zu überwinden.
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