Antidepressiva: Vor- und Nachteile

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Antidepressiva: Baustein zur Behandlung psychischer Erkrankungen. Antidepressiva sind nachweislich geeignet, um Depressionen und andere psychische Erkrankungen zu behandeln. Dennoch sind diese Arzneimittel aus der Gruppe der Psychopharmaka umstritten. Welche Möglichkeiten der Behandlung gibt es und welche Risiken sind damit verbunden?

Welche Möglichkeiten bieten Antidepressiva?

Das Krankheitsbild der Depression wurde bereits im Altertum von Hippokrates beschrieben und seit dieser Zeit suchen Heilkundige aller Kulturen nach einer Möglichkeit, krankhafte Melancholie zu behandeln.

Depressive Menschen wurden bis in die jüngere Vergangenheit teilweise mit barbarisch anmutenden Methoden behandelt, die eher an Folter erinnerten. Noch im 20. Jahrhundert wurden Elektroschocks verabreicht oder man behalf sich einfach damit, suizidgefährdete Menschen im Bett anzuschnallen und wegzusperren. Mit der Gabe von Opium wurde ebenfalls lange Zeit versucht, seelische Erkrankungen zu bekämpfen.

Bis hinein in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts erschien es unmöglich, mit chemischen Arzneimitteln Depressionen zu behandeln. 1953 veränderte allerdings ein Medikament, das ursprünglich zur Behandlung von Schizophrenie entwickelt wurde, die gesamte Psychiatrie. Der Wirkstoff Chlorpromazin zeigte stimmungsaufhellende Wirkungen. Daraufhin wurde Imipramin, das erste Antidepressivum, entwickelt.

Antidepressiva sind nachweislich geeignet, um Depressionen und andere psychische Erkrankungen zu behandeln.

Antidepressiva sind nachweislich geeignet, um Depressionen und andere psychische Erkrankungen zu behandeln.(#01)

Depressionen in Zahlen

Weltweit ist ein rasanter Anstieg depressiver Erkrankungen zu beobachten. Eine WHO-Studie ergab folgende Zahlen:

  • 322 Millionen weltweit betroffene Menschen
  • 4,4 Prozent der Weltbevölkerung
  • Anstieg von 18 Prozent in zehn Jahren
  • 4,1 Millionen Erkrankte in Deutschland
  • 4,6 Millionen an Angststörungen erkrankte Patienten in Deutschland
  • 1,4 Milliarden Tagesdosen Antidepressiva pro Jahr in Deutschland
  • 16 bis 20 von 100 Menschen erkranken einmal im Leben an einer Depression

Depressionen zählen mittlerweile zu den häufigsten Erkrankungen, welche die Lebensqualität erheblich einschränken. Gleichzeitig wird der Leidensdruck, unter dem die Betroffenen stehen, sehr oft unterschätzt. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe spricht von einer Volkskrankheit und bietet auf ihrem Internet-Portal Hilfe und Informationen für Betroffene und deren Angehörige an.

Die Kontaktdaten der Stiftung lauten:

Stiftung Deutsche Depressionshilfe
Semmelweisstraße 10
04103 Leipzig
Tel.: 0341/97 24 493
Fax: 0341/97 24 599
E-Mail: info@deutsche-depressionshilfe.de

Die deutliche Zunahme der Zahlen hängt einerseits damit zusammen, dass die Menschen tendenziell immer älter werden und Depressionen vermehrt in fortgeschrittenem Alter vorkommen. Aber auch die junge Generation gibt Anlass zur Sorge, denn gerade unter Kindern und Jugendlichen ist ein starker Anstieg bei den Neuerkrankungen zu verzeichnen.

Wie machen sich Depressionen bemerkbar?

Depressive Erkrankungen betreffen das Gehirn und da das Gehirn die Schaltzentrale des Körpers ist, wird der gesamte Organismus von der Erkrankung in Mitleidenschaft gezogen. Das beginnt bei der Veränderung einzelner Körperfunktionen und endet mit dem festen Entschluss, einen Suizid zu begehen.

Die Hauptsymptome von Depressionen sind:

  • Traurigkeit
  • tiefe Niedergeschlagenheit
  • Interessensverlust
  • Abgeschlagenheit
  • Schlafstörungen
  • Energieverlust
  • Suizidgedanken

Ein großer Teil der mehr als 10.000 Suizide in Deutschland ist Folge einer Depression. Teilweise ist die Depression ein eigenständiges Krankheitsbild und teilweise wird sie durch traumatische Erlebnisse und belastende Lebensumstände verursacht.

Die Erkrankung kann in jedem Alter auftreten, unabhängig von sozialem Status, Beruf oder Geschlecht. Es gibt mittlerweile neben der Psychotherapie verschiedene Antidepressiva, mit denen Depressionen gut behandelt werden können.

Depressive Erkrankungen betreffen das Gehirn und da das Gehirn die Schaltzentrale des Körpers ist, wird der gesamte Organismus von der Erkrankung in Mitleidenschaft gezogen.

Depressive Erkrankungen betreffen das Gehirn und da das Gehirn die Schaltzentrale des Körpers ist, wird der gesamte Organismus von der Erkrankung in Mitleidenschaft gezogen.(#02)

Welche Antidepressiva werden unterschieden?

Oberstes Ziel bei der Gabe von Antidepressiva, ist die Beseitigung der belastenden Symptome und die Herstellung eines seelischen Gleichgewichts, das ein normales Alltagsleben ermöglicht.

Es gibt nicht den einen Wirkstoff, mit dem Depressionen behandelt werden. Mittlerweile stehen den Ärzten eine Reihe verschiedener Gruppen von Antidepressiva zur Verfügung.

Die am häufigsten verschriebenen Medikamente gehören zu den folgenden drei Gruppen:

  • trizyklische Antidepressiva (TZA)
  • selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI)
  • selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)

Darüber hinaus gibt es noch Antidepressiva wie beispielsweise selektive-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, die eher selten verschrieben werden. Einige Medikamente wie Lithium und Trazodon lassen sich keiner Gruppe zuordnen, werden aber dennoch erfolgreich zur Behandlung der Symptome eingesetzt. Gute Erfolge werden außerdem mit Johanniskraut-Präparaten erzielt.

Trizyklika: Antidepressiva der ersten Generation

Am längsten auf dem Markt sind die Trizyklika, die auch als Medikamente der ersten Generation bezeichnet werden. Diese Arzneimittel wurden nach der chemischen Struktur benannt und bereits in den 50er Jahren entwickelt. Das erste Antidepressivum Amitriptylin sowie Doxepin sind bekannte Vertreter dieser Medikamenten-Gruppe und werden bis heute verschrieben.

Trizyklika wirken vorwiegend beruhigend und stimmungsaufhellend und werden deshalb bei depressiven Erkrankungen, die mit Unruhegefühlen und Ängste einhergehen, eingesetzt. In weiteren Artikeln wird die Wirkungsweise dieser Medikamente sowie deren Nebenwirkungen näher beschrieben.

Selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI)

Diese Medikamente hemmen die Wiederaufnahme der Neurotransmitter Noradrenalin sowie Serotonin. Dadurch steigt die Konzentration dieser Neurotransmitter im freien Nervenwasser, wodurch eine stimmungsaufhellende und antriebssteigernde Wirkung erreicht wird.

SSNRI werden bevorzugt bei Depressionen, sozialen Phobien und Zwangserkrankungen eingesetzt. Darüber hinaus wird mit der Gabe der Medikamente in niedriger Dosierung versucht, Rezidiven vorzubeugen. Bekannte Arzneimittel dieser Gruppe sind Duloxetin, Venlafaxin und Milnacipran.

Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)

Diese Arzneimittelgruppe hemmt die Wiederaufnahme von Serotonin und erhöht somit den Serotoninspiegel im Nervenwasser. Bekannte Arzneimittel sind der erste zugelassene SSRI Fluoxetin, Citalopram, Fluvoxamin, Sertralin, Paroxetin und Escitalopram. SSRI werden bei Depressionen, die in Verbindung mit Zwangsstörungen auftreten, eingesetzt. Bulimie ist eine der Erkrankungen, die mit SSRI erfolgreich therapiert werden.

Am längsten auf dem Markt sind die Trizyklika, die auch als Medikamente der ersten Generation bezeichnet werden.

Am längsten auf dem Markt sind die Trizyklika, die auch als Medikamente der ersten Generation bezeichnet werden.(#03)

Welche Antidepressiva werden häufig verschrieben?

Die am häufigsten verschriebenen Medikamente gehören zu den drei oben genannten Gruppen:

Wirkungsweise der Antidepressiva

Je nach Wirkstoff entfalten die verschiedenen Medikamente folgende Wirkungen:

  • Aufhellung der Stimmung
  • Steigerung des Antriebs
  • Dämpfung des Antriebs
  • Beruhigung
  • Befreiung von Ängsten

Die Wirkstoffe greifen in den Hirnstoffwechsel ein. Die Nervenzellen benötigen Botenstoffe zur Weiterleitung der Reize. Im Falle einer depressiven Erkrankung wird meist ein Ungleichgewicht zwischen den verschiedenen Botenstoffen festgestellt.

Ist zu wenig Serotonin vorhanden, werden Verbindungen zwischen den Nervenzellen gehemmt. Mit den Antidepressiva soll dafür gesorgt werden, dass alle nötigen Botenstoffe dem Gehirn in ausreichender Menge zur Verfügung stehen.

Während der Behandlung dienen regelmäßige Konsultationen beim Arzt dazu, die Dosierung perfekt einzustellen und Nebenwirkungen im Blick zu behalten.

Während der Behandlung dienen regelmäßige Konsultationen beim Arzt dazu, die Dosierung perfekt einzustellen und Nebenwirkungen im Blick zu behalten.(#04)

Die Behandlung mit Antidepressiva

In den meisten Fällen werden die Medikamente täglich eingenommen und entfalten nach zwei bis drei Wochen ihre volle Wirkung. Der behandelnde Arzt wird bestrebt sein, die Dosierung so niedrig wie möglich zu halten und die Therapie begleiten. Auch wenn die akuten Symptome abklingen, wird die Behandlung noch ungefähr ein halbes manchmal sogar ein dreiviertel Jahr weitergeführt, damit ein Rückfall vermieden wird.

Während der Behandlung dienen regelmäßige Konsultationen beim Arzt dazu, die Dosierung perfekt einzustellen und Nebenwirkungen im Blick zu behalten. Neigt sich die Behandlung dem Ende entgegen, wird die Dosis Schritt für Schritt wieder verringert. Jetzt kann es zu vermehrten Nebenwirkungen wie Schlafstörungen oder Übelkeit kommen, die jedoch nach völligem Absetzten des Antidepressivums verschwinden.

Es ist unbedingt davon abzuraten, die Dosierung selbst zu ändern oder ohne vorherige Absprache mit dem Arzt die Einnahme abzubrechen. In diesen Fällen erhöht sich das Risiko, an einem Rezidiv zu erkranken. Entgegen vieler Befürchtungen führt die Einnahme eines Antidepressivums nicht zu einer körperlichen Abhängigkeit, wie das häufig bei Schlaf- oder Beruhigungsmitteln der Fall ist.

Welche Erfolge werden mit der medikamentösen Therapie erzielt?

Oft müssen mehrere Medikamente ausprobiert werden, bevor sich ein zufriedenstellender Erfolg einstellt. Generell sind die Arzneimittel besonders bei schweren Formen der Depression erfolgversprechend. In diesen Fällen überwiegt der Nutzen des Medikaments mögliche Risiken und Nebenwirkungen.

Leichte und mittelschwere Depressionen werden aus diesem Grund meist zunächst mit alternativen pflanzlichen Arzneimitteln behandelt. Besonders gute Erfahrungen bei mittelschweren Depressionen wurden mit Präparaten, die hochdosiertes Johanniskraut enthalten, gemacht.

Studien belegen, dass Antidepressiva nur bei ungefähr 60 Prozent aller Patienten wirkungsvoll sind. Manchmal hilft jedoch bereits der Wechsel des Präparats, um den gewünschten Erfolg zu erzielen. Außerdem verringert sich die Gefahr eines Rezidivs von ungefähr 50 auf 23 Prozent, wenn eine medikamentöse Therapie durchgeführt wird.

Leichte und mittelschwere Depressionen werden aus diesem Grund meist zunächst mit alternativen pflanzlichen Arzneimitteln behandelt.

Leichte und mittelschwere Depressionen werden aus diesem Grund meist zunächst mit alternativen pflanzlichen Arzneimitteln behandelt.(#05)

Mit welchen Nebenwirkungen ist zu rechnen?

Besonders bei älteren Patienten, die außer dem Antidepressivum noch andere Medikamente regelmäßig einnehmen, ist es wichtig, auf Wechselwirkungen zu achten.

Ansonsten ist vor allem am Beginn der Einnahme mit dem Auftreten von Nebenwirkungen zu rechnen:

  • Sehstörungen
  • Schwindel
  • Mundtrockenheit
  • Zittern
  • Durchfall
  • Gewichtszunahme
  • Miktionsstörungen
  • Schlaflosigkeit
  • Übelkeit
  • Kopfschmerzen

Die Medikamente der ersten Generation verursachen durchschnittlich stärker belastende Nebenwirkungen als die der zweiten Generation, sodass es bei diesen Medikamenten häufiger zu Abbrüchen der Therapie kommt.

Schwere Fälle von Nebenwirkungen sind Schwindel und unsicherer Gang bei älteren Patienten, die deshalb stürzen und sich ernsthaft verletzten. Auch Herzprobleme und epileptische Anfälle treten vereinzelt auf, sodass die Medikamentengabe immer streng ärztlich überwacht werden sollte.

Erhöhte Suizidneigung bei Jugendlichen

Studien untermauern die Vermutung, dass besonders Jugendliche, die mit SSRI oder SSNRI behandelt werden, stärker dazu neigen, Suizidgedanken zu entwickeln und diese auch öfter in die Tat umsetzen. Es wird deshalb empfohlen, Jugendliche engmaschiger ärztlich zu überwachen, um rechtzeitig eine Suizidgefährdung zu erkennen.

Vorteile einer Behandlung mit Antidepressiva

Die Behandlung mit den Medikamenten hat besonders bei chronischen und schweren Depressionen Vorteile:

  • relative schnelle Wirksamkeit (nach zwei bis drei Wochen)
  • Behandlung wenig zeitaufwendig
  • verschiedene Medikamente für unterschiedliche Störungen verfügbar
Studien untermauern die Vermutung, dass besonders Jugendliche, die mit SSRI oder SSNRI behandelt werden, stärker dazu neigen, Suizidgedanken zu entwickeln und diese auch öfter in die Tat umsetzen.

Studien untermauern die Vermutung, dass besonders Jugendliche, die mit SSRI oder SSNRI behandelt werden, stärker dazu neigen, Suizidgedanken zu entwickeln und diese auch öfter in die Tat umsetzen.(#06)

Nachteile einer Behandlung mit Antidepressiva

Neben den Vorteilen sind jedoch einige Nachteile zu nennen, die der behandelnde Arzt bei der Entscheidung für die Therapie berücksichtigen sollte:

  • Nebenwirkungen
  • keine Veränderung belastender Lebensumstände
  • häufigere Rückfälle als nach Psychotherapie
  • nicht in jedem Fall wirksam

Weitere Einsatzgebiete der Antidepressiva

Heute gelten die Medikamente als gute Möglichkeit, Angst- und Zwangsstörungen erfolgreich zu therapieren. Außerdem werden Antidepressiva mit Erfolg bei chronischen Schmerzen verabreicht. Schätzungen zufolge sind nur die Hälfte aller Patienten, die mit einem Antidepressivum behandelt werden, depressiv. Aus diesem Grund plädieren Fachleute für eine Umbenennung der Medikamenten-Klasse.

Sind Antidepressiva immer die erste Wahl?

Viele Erkrankte leiden an einer leichten Form der Depression, die mit einer Psychotherapie gut behandelbar ist. Mit einer Kognitiven Verhaltenstherapie werden in diesen Fällen gute Erfolge erzielt und darüber hinaus die Gefahr von Rückfällen gemindert.

Ein völlig neuer Ansatzpunkt ist die Behandlung von Depressionen mit Hilfe von Software-Programmen oder Apps, die Elemente der klassischen Psychotherapie enthalten. Ziel ist die Schulung eines achtsamen Umgangs mit den eigenen Gefühlen, Bedürfnissen und negativen Gedanken. Ein Beispiel dafür ist die App „Deprexis“, über die sich Betroffene auf der Online-Plattform deprexis4.de informieren können.


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