Die ersten Gehversuche für eine elektronische Gehörprothese wurden bereits in den 1960er Jahren durch William F. House und sein Team in den USA vorgenommen. Gleichzeitig wurde auch in anderen Ländern an einer Lösung gearbeitet. Heute ist das Cochlea Implantat ein voll entwickeltes Mittel in der Medizin. Es eignet sich allerdings nur für eine bestimmte Patientengruppe. Was sind also die Voraussetzungen für die Nutzung?
Inhaltsverzeichnis: Das erwartet Sie in diesem Artikel
Wie funktioniert ein Cochlea Implantat?
Ein Cochlea Implantat setzt sich aus zwei Komponenten zusammen. Es gibt einen innen liegenden Teil und einen externen Bereich. Extern befinden sich ein Mikrofon, der Sprachprozessor, eine Batterie sowie Akku und Spule.
Der innen liegende Teil umfasst:
- Spule
- Signalprozessor mit Stimulator
- Elektroden für die Stimulation
Es wurde bereits mehrfach versucht, auch den externen Teil unsichtbar zu implantieren, allerdings ohne Erfolg. Der externe Teil befindet sich in der Regel direkt hinter dem Ohr. Die vom externen Teil empfangenen Reize werden über die Spule weitergeleitet. Dort werden diese Reize in elektrische Ströme umgewandelt, die den Hörnerv erregen. Die Aufgabe der Reizübertragung tragen im unbeschädigten Hörorgan die sogenannten Haarzellen. Das Cochlea Implantat übernimmt deren Aufgabe.
Info
Normale Hörgeräte sind darauf angewiesen, dass die Haarzellen funktionsfähig sind. In diesem Fall ist der Einsatz des Cochlea Implantates also zwingend notwendig.
Unterschiedliche Hersteller setzen auf andere Codierungs- und Stimulationsstrategien. Die verschiedenen Methoden zeigen jedoch keinen echten Unterschied für die Qualität der Implantate.
Für wen eignet sich ein Cochlea Implantat?
Die sogenannte CI-Versogung (Cochlea-Implantat-Versorgung) ist dann notwendig, wenn normale Hörgeräte leistungsstark genug sind, um ein gutes Sprachverstehen zu sichern. Dieses Szenario tritt ein, wenn die Haarzellen ganz oder zum Teil zerstört sind.
In der Vergangenheit wurde das Cochlea Implantat vor allem für Patienten angewandt, die einen kompletten Hörverlust aufwiesen. Heute wird aber auch mit Patienten gearbeitet, die ein sehr geringes Sprachverstehen aufweisen, aber nicht komplett taub sind. Ein Grund dafür ist, dass die Ergebnisse mit dem Implantat sehr gut sind. Rund drei Viertel der CI-Nutzer in Deutschland können über 30 Prozent von Einsilberworten verstehen. Etwa die Hälfte ist in der Lage, über 62 Prozent Einsilber klar zu identifizieren.
Patienten, deren Einsilberverstehen bei einer normalen Sprachlautstärke unter 40 Prozent liegt, sollten über das Implantat nachdenken.
Der Erfolg des Implantats hängt jedoch von mehreren Faktoren ab:
- Ertaubungsdauer
- Individuelle Sprachkompetenz
- Zustand des Hörnervs
Auch das Erlernen der neuen Audiosignale spielt eine wichtige Rolle. Je höher die Motivation des Patienten ist, diese „neue Sprache“ zu erlernen, umso besser die Aussichten auf einen guten Erfolg. Für Erwachsene, die vor oder im frühen Stadium des Spracherwerbs ertaubt sind, ist das Cochlea Implantat wenig erfolgsversprechend.
Wie wird das Cochlea Implantat eingesetzt?
Patienten erhalten das Implantat unter Vollnarkose. Es ist nicht notwendig, die Haare für das Einsetzen des Implantats zu rasieren. Direkt hinter dem Ohr wird ein Einschnitt durchgeführt. Dieser hat eine Länge zwischen fünf und acht Zentimetern. In den somit freigelegten Schädelknochen wird eine leichte Vertiefung eingefräst. Dort wird das Stimulatorgehäuse eingelegt.
Anschließend wird ein Kanal gefräst. Dieser führt durch das sogenannte Felsenbein zum Mittelohr. Der Kanal nimmt einen Bohrer auf, der ein kleines Loch direkt in die Cochlea bohrt. In dieses Loch wird ein Elektrodenbündel eingeführt. Ds Kabel wird anschließend am Felsenbein befestigt. So bleibt das Implantat auch bei viel Bewegung fest in der Position.
Es gibt mehrere Operationsmethoden:
- Der gebohrte Kanal wird mit Knochenmaterial verschlossen.
- Der Kanal bleibt offen.
Der innen liegende Teil des Implantats wird dann sicher in Position gebracht und mit einem medizinischen Garn befestigt. Es legt sich nahezu eben mit der Kopfhaut in die ausgefräste Kuhle im Schädelknochen. Bevor die Kopfhaut vernäht wird, wird die sogenannte Potenzialausgleichselektrode darunter geschoben. Nicht alle Implantate arbeiten mit diesem Bauteil.
Es ist möglich, direkt nach dem Einsetzen des Implantats die Funktion zu überprüfen. Dafür wird nicht nur der Stapediusreflex ausgelöst, sondern auch die Reaktion des Hörnervs gemessen. Dafür wird die Methode der Nero-Response-Telemetrie verwendet.
Info
Um zu ermitteln, in welchem Umfang die Hörbahn bei Kleinkindern ausgeprägt ist, wird das Nervenaktionspotenzial des Hirnstammes überprüft. Dafür wird mit elektrischen Auslösern gearbeitet, die es erlauben, die Informationsübertragung zwischen dem Gehirn und dem Reizeingang zu messen.
Video: Neues Hörgerät: Cochlea Implantat – Welt der Wunder
Cochlea Implantat nach der Operation
Das Implantat basiert darauf, elektrische Reize an die Hörschnecke zu übertragen. Sowohl der Bau des Implantats als auch das individuelle Hörempfinden resultieren in sehr unterschiedliche akustische Signale für den Träger.
Das Sinnesorgan ist jedoch in der Lage, die neuen und unbekannten Signale eventuell in eine sinnvolle Akustik für den Träger umzuwandeln. Es findet eine langsame Anpassung des neuronalen Mechanismus für die akustische Verarbeitung statt.
Ein guter Erfolg für den Patienten ist ohne ein intensives Hörtraining nicht möglich. Die unbekannten akustischen Signale müssen mit der Zeit korrekt identifiziert und erlernt werden. Experten vergleichen diesen Vorgang mit dem Erlernen einer neuen Sprache.
Wie lange das Training notwendig ist, hängt von mehreren Faktoren ab:
- Alter des Patienten
- Lernwilligkeit des Patienten
- Mentale Kapazität
Bei Kindern wird von einer Lernphase von zwei bis drei Jahren ausgegangen. Für Erwachsene kann diese Zeit allerdings wesentlich kürzer ausfallen.
Welche Risiken gibt es für das Cochlea Implantat?
Da es sich hier um eine Operation unter Narkose handelt, treten die üblichen Operationsrisiken auf. Hinzu kommen weitere spezifische Gefahren, die mit dem Implantat einhergehen.
Die Bohrung für den Kabelkanal findet in der Nähe des Gesichtsnervs und des Geschmacksnervs statt. Kommt es hier zu einer Komplikation, könnten diese dauerhaft beschädigt werden.
Es kann passieren, dass die Elektroden nicht in die Hörschnecke eingeführt werden. Sie befinden sich dann in einem Bogengang im Gleichgewichtsorgan. Dieser Fehler ist allerdings extrem selten. Er sollte außerdem direkt durch die Funktionsüberprüfung aufgedeckt und behoben werden.
Kommt es während der Operation zu einer Verunreinigung der Cochlea, kann eine Meningitis nach der Operation eintreten. Erneut ein Szenario, das extrem selten eintritt.
Eine weitere Möglichkeit, wie es zu Komplikationen nach der Operation kommen kann, ist eine Unverträglichkeit für Materialien des Implantats. Ein klassisches Beispiel dafür ist eine Unverträglichkeit für Silikon.
Können Kleinkinder das Cochlea Implantat erhalten?
Für gehörlose und schwerhörige Kinder im Alter ab zwei Jahren wird die CI-Versorgung durch Experten empfohlen. Eltern sind von dieser Behandlungsmethode ebenfalls überzeugt, da sie eine extrem hohe Erfolgschance bei den Kindern zeigt. Hier ist ein frühzeitiges Handeln von höchster Relevanz. Denn je später es im Verlauf der Sprachentwicklung eingesetzt wird, umso geringer die Chancen auf ein gutes Sprachverständnis.
Ab dem achten Lebensjahr verringern sich die Chancen für Kinder, die gehörlos geboren wurden extrem. Eine Ausnahme machen Kinder, die unter einer Schwerhörigkeit leiden und in den ersten Lebensjahren mit einer klassischen Hörgeräteversorgung behandelt wurden.
Wichtig!
Die Kosten für ein einseitiges oder beidseitiges Cochlea Implantat werden in Deutschland zu 100 Prozent über die Krankenkasse abgedeckt. Das gilt auch für die Kosten, die im Zuge der Rehabilitationsphase zum Tragen kommen.
Cochlea Implantat: Beidseitige Versorgung
Für lange Zeit was es Standard, das Implantat nur einseitig zu verwenden. Ein Grund dafür war die Hoffnung, dass im Laufe der Zeit bessere Implantate oder Therapien zur Verfügung stehen, die am freien Ohr zum Einsatz kommen können. Gleichzeitig haben Krankenkassen sich lange Zeit geweigert, die Kosten für beidseitige Implantate zu übernehmen.
Heute ist es anerkannt, dass das einseitige Hören das Sprachverstehen merklich beeinträchtigt. Insbesondere in alltäglichen Situationen mit einem hohen Geräuschpegel ist es für Patienten mit einseitigen Implantaten oft eine Herausforderung.
Mittlerweile werden die beidseitigen Implantate von den meisten Kliniken angeboten und die Kosten werden durch die Krankenkassen gedeckt. Dieser neue Standard wurde zur Jahrtausendwende an vielen Orten eingeführt.
Video: Chance oder Risiko? Leben mit Cochlea Implantat | Sehen statt Hören | BR
Wie wichtig ist das Cochlea Implantat für die Sprachentwicklung?
Die allgemeine Sprachentwicklung lässt sich grob in zwei relevante Zeitfenster einteilen. Die sogenannte kritische Periode fällt in den Zeitraum von der Geburt bis etwa zum neunten Lebensmonat. Wird eine Schwerhörigkeit rechtzeitig erkannt, und eine Hörgeräteversorgung beginnt innerhalb dieses Zeitfensters, ist eine normale Sprachentwicklung bei fast 70 Prozent der Patienten zu beobachten.
Studien aus der Hirnforschung lassen darauf schließen, dass das Gehirn sich in den ersten Lebensmonaten auf die Laute der Muttersprache spezialisiert. Dieser Vorgang wird natürlich durch die Ohren gesteuert. Laute, die nicht in das Schema der Muttersprache passen, werden zum Teil gar nicht wahrgenommen und verarbeitet. Fehlt dieses Training für das Gehirn komplett, ist es nahezu unmöglich, eine gute Sprachausbildung zu erzielen.
Die sogenannte sensitive Periode wird von Experten als die Reifeperiode der Sprachentwicklung betrachtet. Sie beginnt unmittelbar nach dem ersten Zeitfenster und reicht bis in das Kindesalter von 3,5 Jahren. Während dieser Zeit benötigt das Gehirn die sensorische Stimulation, die durch die akustischen Signale gegeben ist.
Werden diese vom Gehirn nicht empfangen, ist es nicht möglich, das auditive Lernen und die damit verbundene neuronale Hirnausbildung zu sichern. Ab dem siebten Lebensjahr gibt es nur noch extrem geringe bis keine Aussicht darauf, das Sprachverhalten neu zu erlernen.
Für eine erfolgreiche Anwendung des Cochlea Implantats spielen also gleich mehrere Bereiche zusammen. Das konkrete Krankheitsbild bestimmt, ob das Implantat in der Lage ist, die Hörsignale zu übertragen. Auch das Alter und die individuellen Behandlungsmethoden spielen eine Rolle. Wichtig ist dabei, dass der Patient in der Rehabilitationsphase ausreichend mit Experten arbeitet und sich motivieren kann, den Umgang mit dem Implantat richtig zu lernen.
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